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Channel: Videopunks
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Legendäre Hitze

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Ich weiß nicht warum, aber ich erinnere mich zunächst daran, dass es heiß war. Und das im März. Vielleicht war es aber auch diese generelle Nervosität, die sich über die Poren entlud. Mein erstes Barcamp, als Neuling in Essen, als Online-Zeitungsmensch, der soeben erst Twitter verstanden und das Bloggen wiedererlernt hatte. 2008, das Jahr in dem ich meine digitale Unschuld verlor und der „Videopunk“ das Laufen lernte.

Jedenfalls war es mein erster Besuch im Essener Unperfekthaus. Eben jenem Künstlerhort, der in den kommenden Jahren noch viele Barcamps beheimaten sollte. Mein Ex-Brötchenzahler „DerWesten“ war (kleiner) Sponsor des 1. BarcampRuhr. Also Pflichttermin für einen frischgebackenen Journalismus-Revoluzzer, um sich erste Meriten in der „Szene“ zu verdienen. Heute ist, wie von „DerWesten“ insgesamt, nicht mehr viel von diesen Erinnerungsnachweisen vorhanden. Mit der Liquidierung des Blog-Systems wurden auch sämtliche meiner Texte und Videos nach Silicon-Walhalla geschickt.

Was geblieben ist, sind Momentaufnahmen. Der erste Handschlag mit Stefan. Die erste Vorstellungsrunde und die verzweifelte Suche nach den drei kreativen, witzigen, noch nie dagewesenen Hashtags. Der erste Barcamp-Entzug am Sonntagabend und die darauf folgende Social-Media-Grippe. Und einige Erkenntnisse, die meinen beruflichen Werdegang eines Tages auf den Kopf stellen sollten.

(Vorschlag für einen Buchtitel) Irgendwann beginnt dann die Legende

Ende November 2009. Mittlerweile mache ich selbst Barcamps. Nun gut, Themencamps. Halbe Barcamps, sagten damals einige. Video könnte im Netz eine gewichtige Rolle spielen, dachten sich Stefan und ich. Und geboren ward das Videocamp.

Schnell expandierten wir mit unserem Hobby nach Berlin, fortan sollte es also zwei Videocamps (anfänglich Essen, später Düsseldorf und natürlich Berlin) im Jahr geben. Die Szene der Videomacher wuchs und wuchs. Waren es am Anfang noch Blogger, Vermarkter und Redakteure von Newsportalen, wandelte sich durch den Aufstieg YouTubes alles. Video war plötzlich keine Nische mehr. Mit dem Videocamp waren wir zu Gast bei Bertelsmann in der Repräsentanz Unter den Linden, bereits in wenigen Wochen sind wir erneut in Berlin, im Hauptstadtbüro Googles.

Sogar das Fernsehen berichtete auf einmal über diese halben Barcamps. Meistgestellte Frage: Wofür stehen diese? Wenn man die Teilnehmer fragt, fallen Signalwörter wie „Wissenstransfer“, „Familientreffen“ und „Horizonterweiterung“. Für mich waren Barcamps immer mehr. Sie schafften nämlich etwas, woran herkömmliche Konferenzen noch heute scheitern. Sie bringen die unterschiedlichsten Menschentypen zusammen. Beruflich, persönlich, digital, analog. Sie sind „interdisziplinär“, im besten Sinne des Begriffes. Ein „melting pot“ an Know-How, Persönlichkeit und viel zu viel gutem Essen.

(Vorschlag für Band 2) Weltherrschaft, mit Nachokäse überbacken

Im Herbst 2010 wurde der Deutsche Webvideopreis geboren. Beim Mexikaner, auf der anderen Straßenseite. Für die Historiker: Es gab Nachos und Burger. Wenn die Zukunft im Webvideo läge, dann brauche es dazu auch einen Preis, waren Stefan und ich uns einig. Aber bitte nicht als Schaulaufen, sondern als Schaufenster zum Lernen, zum Mitmachen, zum Entdecken des Neuen. Geboren aus dem Barcamp-Gedanken, umgesetzt als Abendveranstaltung zum Videocamp 2011.

Mittlerweile verdiene ich meine Brötchen für mich und andere damit, die Videocamps stetig neu zu erfinden und den Webvideopreis endlich aus den Löschdiskussionen bei Wikipedia herauszuholen. Relevanz braucht Durchhaltevermögen.

So wie der Webvideopreis, werden sich auch die Videocamps weiterentwickeln. Und dabei ist es mir egal, ob einige Puristen lauthals „Verrat“ rufen, da a.) damals alles besser war und b.) doch ohnehin immer a.) gilt. Ein Barcamp ist keine leere Hülle, sondern ein Sandkasten. Mit welchen Förmchen gespielt wird, entscheiden die Teilnehmer. Aber die Veranstalter suchen immer noch aus, welche Förmchen im Sand bereit liegen.

Die Videocamp-Motivation ist bei uns allgegenwärtig: Unterschiedlichste Menschen zusammenbringen, immer auf der Suche nach dem Neuen, disruptiv als Selbstzweck, nicht als Marketing-Buzzword. Mittlerweile nutze ich einige Barcamp-Grundlagen auch für meine Seminare an Akademien und Journalistenschulen. Ich lasse die Teilnehmer entscheiden, was sie (aus dem Menü) in welcher Reihenfolge lernen wollen. Und jedes Mal, wenn ich ein Seminar so eröffne, fühle ich mich an den heißen März 2008 erinnert. Damals, auf dem BarcampRuhr. Meinem ersten Barcamp.


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